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Der rassistische Angriff auf Ahmed I. in Lohfelden bei Kassel jährt sich zum sechsten Mal.

Heute jährt sich zum sechsten Mal der rassistisch motivierte Mordversuch an Ahmed I. Am 6. Januar 2016 wurde der junge Iraker in Lohfelden (bei Kassel) von hinten mit einem Messer angegriffen und lebensgefährlich verletzt. Erst im Zuge der Ermittlungen zum Mord an Walter Lübcke wurde der Angriff als rassistisch motivierte Tat benannt und untersucht. Während Stephan E. im Januar 2021 des Mordes an Walter Lübcke für schuldig befunden wurde, sprach ihn das Oberlandesgericht Frankfurt am Main im Fall Ahmed I. frei. Ahmed hält das für einen Fehler – auch die Bundesanwaltschaft war von der Schuld Stephan E.s überzeugt. 

Wie viele andere Betroffene erlebte Ahmed I., nicht ernst genommen und nicht auf Augenhöhe behandelt worden zu sein – bis ins Gerichtverfahren hinein. response, unsere Beratungsstelle für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt, unterstützt Ahmed I. seit 2016 – und kämpft zusammen mit ihm für die Aufklärung seines Falles und aller offenen Fragen. 

Stephan E. wurde von den Behörden lange Zeit gar nicht erst als mutmaßlicher Täter gesehen. Bis heute ist unklar, weswegen bei ihm 2016 keine Hausdurchsuchung durchgeführt wurde, obwohl den Behörden seine rechtsextreme Einstellung bekannt war. Bei den Untersuchungen im Fall Walter Lübcke wurde bei ihm ein Messer mit DNA-Spuren sichergestellt, die zu Ahmed I. passten. Wäre eine genauere Identifizierung möglich gewesen, hätte man das Messer nicht viele Jahre später, sondern direkt nach der Tat gefunden? Und hätte der Mord an Lübcke verhindert werden können, hätten die Ermittelnden Ahmed I.s Hinweise ernsthaft verfolgt? 

Gegen den Freispruch hat Ahmed I. Rechtsmittel eingelegt. Er sagt: „Alle sollen wissen: Es war eine rassistische Tat. Ich bin davon überzeugt, und ich zweifle nicht daran, dass es Stephan E. war. Für ihn ist es eine Bestätigung. Er hatte einen Plan, er hat darüber nachgedacht, wie man eine Straftat begeht, ohne bestraft zu werden, und es hat funktioniert. Stephan E. ist ein Rassist. Er ist nicht allein.“ 

Nachdem Ahmed I. über vier Jahre hinweg nicht als Opfer eines rassistischen Angriffes anerkannt wurde, erwies sich auch das Gerichtsverfahren als kräftezehrend. „Der Tag meiner Aussage fühlte sich an, als ob das Gericht gegen mich wäre. Niemand hat mich wirklich reden lassen zu den Dingen, die wichtig sind, oder mir mit Respekt zugehört. Ich wurde nicht gefragt über die Dinge, die wirklich wichtig sind“, so Ahmed I. 

Heute ruhen seine Hoffnungen auf dem Untersuchungsausschuss zum Mord an Walter Lübcke, der seit Sommer 2020 tagt und auch Behördenfehler thematisieren soll. 
Ahmed I. erklärt: „Sie müssen eine bessere Arbeit machen. Es ist eine Chance, noch mal hinzuschauen. Ihr müsst das gut machen. Zu dem Untersuchungsausschuss sage ich: Nehmt mich ernst. Schaut mich an. Hört mir zu. Die Polizei hat Fehler gemacht.“ 

Polizei- und Sicherheitsbehörden sowie die Justiz müssen konsequent gegen jegliche Form rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt vorgehen – nicht nur aus Betroffenen-, sondern auch aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive. Fehlende oder mangelhafte Ermittlungen sowie fehlende Gerichtsurteile können als eine Ermutigung für weitere Straftaten dienen und erschüttern das Sicherheitsgefühls einer ganzen Bevölkerungsgruppe. Der Untersuchungsausschuss muss sich auch mit der Frage beschäftigen, inwiefern institutioneller Rassismus im Fall von Ahmed I. Ermittlungsarbeit, Deutungen und Gewichtung von Beweisen beeinflusst haben könnte, und was sich in den Behörden ändern muss. Ahmed I.: „Ich habe viele Tage und Jahre keine Gerechtigkeit bekommen. Ich werde trotzdem weiter über das sprechen, was mir passiert ist. Ich möchte andere Leute unterstützen. Ich möchte, dass sie aufpassen und sich schützen. Wir sind immer stark und immer am Kämpfen. Dein Recht ist niemals verloren, egal wer du bist, und ich hoffe, dass mein Recht eines Tages kommen wird.“ 

Spendenaufruf #NurGemeinsam des VBRG e.V.
Damit Ahmed I. und seine Nebenklagevertreter*innen gegen den erstinstanzlichen Freispruch vorgehen können, ruft der Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG e.V.) zu Spenden auf. 
Der Spendenaufruf gilt auch anderen Fällen, wie dem der Angehörigen von Mohamed Idrissi in Bremen und Qosay Sadam Khalaf in Delmenhorst, und den Opfern einer Neonazi-Hetzjagd am 01.09.2018 in Chemnitz. 

Kontoverbindung des Opferhilfefonds des VBRG e.V.: 
Empfänger: VBRG e.V. 
Verwendung: Opferfonds / #NurGemeinsam 
IBAN: DE38 4306 0967 1177 901301 
BIC: GENO DE M1 GLS 

Zur Webseite des Verbandes VBRG e.V. und zur Kampagne  #NurGemeinsam