Loading...

*** Please find English version below. ***

Die neue israelische Regierung unter Benjamin Netanjahu ist erst seit Dezember 2022 an der Macht, doch in dieser kurzen Zeit hat sie bereits umfassende Gesetzesinitiativen mit weitreichenden Folgen für die Gewaltenteilung und für den Schutz der Menschen- und Bürgerrechte im Land und in den besetzten Gebieten auf den Weg gebracht. Am 22. Januar 2023 haben die Präsidenten aller israelischen Universitäten einen Aufruf an die Regierung veröffentlicht, in dem sie ihre Sorge angesichts der geplanten umfassenden Justizreform durch die neue Regierung zum Ausdruck bringen. In einem weiteren offenen Brief warnen etwa 200 führende Jurist*innen des Landes, dass die Umsetzung der Regierungspläne nichts weniger als einen Systemwechsel bedeuten würde.* Im Brief heißt es unter anderem:

„Die Vorschläge, der Regierung die absolute Macht bei der Ernennung von Richtern zu geben, die nahezu vollständige Abschaffung der juristischen Kontrolle, die Abschaffung der institutionalisierten juristischen Beratung, die Untergrabung der freien Presse – diese Maßnahmen würden bedeuten, dass es in Israel keine unabhängige Justiz, keine Gewaltenteilung und keine Rechtsstaatlichkeit mehr gibt. Es gibt keine Demokratie auf der Welt, die unter diesen Bedingungen existiert. In dieser Form ist der geplante Regimewechsel entsetzlich und gefährlich und wird die Menschen- und Bürgerrechte in Israel stark beschädigen und zum Verlust der demokratischen und rechtsstaatlichen Struktur des Landes führen.“

Als Wissenschaftler*innen, die dem Staat Israel verbunden sind und mit israelischen Kolleg*innen im Austausch stehen, sind wir angesichts der Pläne der israelischen Regierung äußerst besorgt. Wir unterstützen unsere Kolleg*innen und Freund*innen an den israelischen Universitäten in ihrem Kampf um den Fortbestand der Demokratie in Israel. Gerade vor dem Hintergrund der besonderen Beziehung zwischen Deutschland und Israel verurteilen wir diesen Versuch, die Grundpfeiler der israelischen Demokratie zu beschädigen.

Auf Initiative von:
Prof. Dr. Meron Mendel, Direktor Bildungsstätte Anne Frank, Frankfurt University of Applied Sciences

Erstunterzeichner*innen:
Prof. Dr. Sabine Andresen, Goethe-Universität Frankfurt am Main
Prof. em. Dr. Dr. h.c. Aleida Assmann, Kulturwissenschaftlerin, Universität Konstanz
Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult. Jan Assmann, Universität Heidelberg
Prof. Dr. Meike Sophia Baader, Universität Hildesheim
Prof. Dr. Omer Bartov, Brown University
Prof. Dr. Dr. h.c. Heiner Bielefeldt, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Prof. em. Dr. Micha Brumlik, Goethe-Universität Frankfurt am Main
Prof. Dr. Hubertus Buchstein, Universität Greifswald
Prof. Dr. Heinz Bude, Universität Kassel
Prof. Dr. Nicole Deitelhoff, Direktorin Peace Research Institute Frankfurt
Prof. Dr. Naika Foroutan, Direktorin DeZIM, Humboldt-Universität zu Berlin
Prof. Dr. Norbert Frei, Friedrich-Schiller-Universität Jena
Prof. Dr. Ulrike Freitag, Direktorin Leibniz-Zentrum Moderner Orient
Prof. Dr. Ute Frevert, Max-Planck-Institut für Bildungsforschung
Dr. Tatjana Freytag, Universität Hildesheim
Prof. Dr. Hans Michael Heinig, Georg-August-Universität Göttingen
Dr. habil. Klaus Holz, Generalsekretär Evangelische Akademien in Deutschland e.V.
Prof. Dr. Frieder R. Lang, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Prof. Dr. Stephan Lessenich, Direktor Institut für Sozialforschung, Goethe-Universität Frankfurt am Main
Prof. Dr. Carlo Masala, Universität der Bundeswehr München
Prof. Dr. Ethel Matala de Mazza, Humboldt-Universität zu Berlin
Prof. Dr. Ralf Michaels, Direktor Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht
Prof. Dr. Oliver Nachtwey, Universität Basel
Prof. Dr. Armin Nassehi, Ludwig-Maximilians-Universität München
Prof. Dr. Susan Neiman, Direktorin Einstein Forum
Prof. Dr. Tilman Reitz, Friedrich-Schiller-Universität Jena
Prof. Dr. Dr. h. c. Mathias Rohe, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen Nürnberg
Prof. Dr. Hartmut Rosa, Direktor Max Weber Kolleg Erfurt, Friedrich-Schiller-Universität Jena
Prof. Dr. Klaus Rothermund, Friedrich-Schiller-Universität Jena
Prof. Dr. Beate Rudolf, Berlin
Prof. Dr. Miriam Rürup, Direktorin Moses Mendelssohn Zentrum, Universität Potsdam
Prof. Dr. Hans-Bernd Schäfer, Buccerius Law School
Dr. Deborah Schnabel, Direktorin Bildungsstätte Anne Frank
Prof. Dr. Wolfgang Schröer, Universität Hildesheim
Prof. Dr. Stefanie Schüler-Springorum, Direktorin Zentrum für Antisemitismusforschung, Technische Universität Berlin
Prof. Dr. Sybille Steinbacher, Direktorin Fritz Bauer Institut, Goethe-Universität Frankfurt am Main
Prof. Dr. Paula-Irene Villa Braslavsky, Ludwig-Maximilians-Universität München
Prof. Dr. Josef Vogl, Humboldt-Universität zu Berlin
Prof. em. Dr. Michael Wildt, Humboldt-Universität zu Berlin
Dr. Mirjam Zadoff, Direktorin NS-Dokumentationszentrum
Ass.-Prof. Dr. Noam Zadoff, Universität Innsbruck
Prof. Dr. Andreas Zick, Universität Bielefeld
Prof. Dr. Jürgen Zimmerer, Universität Hamburg


Alle wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen deutscher Hochschulen können den Brief noch unterschreiben, indem sie eine E-Mail mit den Angaben der Infos, die veröffentlich werden sollen (Name, Hochschule), an info-at-bs-anne-frank.de schreiben. Betreff: „Offener Brief“. Die Namen werden an dieser Stelle nach und nach ergänzt.

Weitere Unterzeichner*innen:
Prof. Dr. Anne van Aaken, Alexander von Humboldt Professur für Law and Economics, Rechtstheorie, Völker- und Europarecht, Universität Hamburg 
Prof. Dr. Ralph-Christian Amthor, Technische Hochschule Würzburg-Scheinfurt (THWS) 
Dr. Fatoş Atali-Timmer, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Carl von Ossietzky Universität 
Thomas Atzert, Frankfurt University of Applied Sciences  
Prof. (em.)  Dr. Werner Bergmann, Technische Universität Berlin 
Prof. Dr. Alfred Bodenheimer, Universität Basel  
Prof. Dr. Michael Brenner, Ludwig-Maximilians-Universität München  
Prof. Dr. Corinna Dahlgrün, Friedrich-Schiller-Universität Jena  
Dr. Lucyna Darowska, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg 
Prof. Dr. Eldad Davidov, Universität zu Köln und Universität Zürich  
Dr. habil. Angela Ida De Benedictis, Paul Sacher Foundation  
Tatjana Dietz, Goethe-Universität Frankfurt am Main
Dr. Nicole Doerr, Gastprofessorin Goethe Universität, ConTrust und HSFK
Prof. em. Dr. Thomas Eger, Universität Hamburg  
Prof. Dr. Reinhard David Flender, Direktor Institut für kulturelle Innovationsforschung an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg  
Dr. Bernhard Fulda, Associate Professor, Sidney Sussex College, Cambridge University 
Prof. Dr. Friedrich Geiger, Hochschule für Musik und Theater München 
Dr. Leon Gabriel, Ruhr-Universität Bochum  
Prof. Dr. Jerg Gutmann, Universität Hamburg  
Prof. Dr. Thomas Gutmann, Universität Münster  
Dr. Hans-Michael Haußig, Universität Potsdam  
Prof. Dr. Frank Heidemann, Ludwig-Maximilians-Universität München 
Prof. Dr. Jörn Peter Hiekel 
Prof. Dr. Bernhard Huss, Direktor Italienzentrum, Institut für Romanische Philologie, Freie Universität Berlin  
Prof. Dr. Reiner Keller, Universität Augsburg 
Rabbinerin Prof. Dr. Elisa Klapheck, Jüdische Studien, Universität Paderborn  
Dr. Shifra Kuperman, Universität Basel 
Prof. Dr. Ulrike Lembke, Humboldt-Universität zu Berlin  
Michal Lewkowicz, Mizmorim Kammermusik Festival, Basel  
Prof. Dr. Anna Lipphardt, Universität Freiburg  
Prof. Dr. Friedrich Lohmann, Universität der Bundeswehr München  
Werner Lott, Fritz Bauer Institut Frankfurt am Main  
Prof. Dr. Volker Nocke, Universität Mannheim  
Prof. em. Dr. iur. Claus Ott, Universität Hamburg  
Undine Ott, Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa (GWZO), Leipzig  
Prof. Dr. Andreas Paulus, Richter des Bundesverfassungsgerichts a.D., Institut für Völkerrecht und Europarecht, Georg-August-Universität Göttingen 
Prof. Dr. Erik Petry, Universität Basel  
Prof. Dr. Angelika Poferl, TU Dortmund. 
Prof. Dr. Markus Reisinger, Frankfurt School of Finance & Management  
Dr. des. Julia Schade, Ruhr-Universität Bochum   
Dr. Wiebke Scharathow, Universität Oldenburg 
Prof. Dr. i.R. Ulrike Schmauch, Frankfurt University of Applied Sciences  
KS Prof. Andreas Schmidt, Studiengangsleiter Musiktheater/Operngesang, Hochschule für Musik und Theater München 
Prof. Dr. Klaus M. Schmidt, Ludwig-Maximilians-Universität München  
Prof. Dr. Armin Schmutzler, Universität Zürich 
Prof. Dr. Monika Schnitzer, Ludwig-Maximilians-Universität München  
Prof. Konrad O. Stahl Ph.D., Department of Economics, University of Mannheim  
Prof. Dr. Tine Stein, Georg-August-Universität Göttingen  
Dr. Katharina Stengel, Fritz Bauer Institut, Frankfurt 
Prof. Dr. Ernst-Ludwig von Thadden, Universität Mannheim  
Dr. Amir Theilhaber, Universität Bielefeld  
Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Matthias Theodor Vogt, Institut für kulturelle Infrastruktur Sachsen 
Prof. a.D. Dr. rer. nat. Michael Wettern, Technischen Universität Braunschweig  
Prof. Dr. Andreas Wirsching, Direktor Institut für Zeitgeschichte München-Berlin  
Prof. Dr. Ulrich Wyrwa, Universität Potsdam  
Prof. Dr. Martin Zenck, Institut für Musikforschung, Universität Würzburg  
Dr. Heidy Zimmermann, Paul Sacher-Stiftung, Basel  
Dr. phil. Kirsten Barre, MHEd., Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg

* Siehe zum Aufruf der Universitäts-Präsidenten: The Times of Israel (23.01.2023) sowie Haaretz (23.01.2023).
Der offene Brief der Jurist*innen wurde auf Twitter veröffentlicht (24.01.2023).
Der Aufruf und der offene Brief finden sich unten im Wortlaut.

The new Israeli government under Benjamin Netanyahu has only been in power since December 2022, but in this short time it has already launched comprehensive legislative initiatives with extensive consequences for the separation of powers and for the protection of human and civil rights in the country and the occupied territories.   

On January 22, 2023, the presidents of all Israeli universities issued an appeal to the government expressing their concern about the comprehensive judicial reform planned by the new government. In another open letter, some 200 of the country’s leading legal scholars warn that the implementation of the government’s plans would mean nothing less than a change of system.  

The letter reads, among other things: “The proposals to give the government absolute power in the appointment process of judges, the almost complete elimination of judicial review, the abolition of the institution of legal advisers as gate keepers, undermining free press – all these proposed measures mean that there will be no independent judicial branch, no separation of powers and no rule of law in Israel. There is no democracy in the world that exists under these conditions. As proposed, this planned regime change is appalling and dangerous, and will result in severe damage to human and civil rights in Israel and to the loss of the country's democratic legal structure.” 

As academics who feel connected to the state of Israel and who are in exchange with Israeli colleagues, we are deeply concerned about the plans of the Israeli government. We support our colleagues and friends at Israeli universities in their struggle for the persistence of democracy in Israel. Especially against the backdrop of the special relationship between Germany and Israel, we condemn this attempt to damage the pillars of Israeli democracy.  

We, the presidents and rectors of the research universities in Israel, express deep concern about the division and polarization in Israeli society and processes that could lead to real damage to the national strength and stability of the State of Israel. We call upon the government and the Knesset to preserve the basic values of the Declaration of Independence, and in particular to preserve the rights of minorities, and the dignity of all persons. As those who are entrusted with the research and education of the future generations of the State of Israel, we caution you that the proposed reform of the legal system could result in fatal damage to Israeli academia. This may manifest itself in brain drain and in the fact that faculty members will hesitate to join our ranks; that students, research students, post-doctoral students and international colleagues will not come to Israel; that our access to international research funds will be limited; that foreign industries will withdraw from cooperation with Israeli academia; And that we would be excluded from international research and the education community. All of these are expected to have farreaching and long-term impact on the security, prosperity and social resilience of the State of Israel.

We call on the government and the Knesset to avoid rapid constitutional changes without a sincere and meaningful parliamentary and public discourse on the controversial issues and their impact on security, the economy and society in Israel. We caution against an uncontrolled procedure and call for a gradual implementation of changes, if it is decided to make them, in stages, to ensure results that will benefit the State of Israel and its citizens.

185 faculty members from all Israeli law faculties – a significant share of all legal scholars in Israel – have signed the following open letter:

We, the senior faculty members of law faculties in Israel, strongly oppose the regime change that the Israeli government is promoting under the guise of “legal reforms”. The proposals to give the government absolute power in the appointment process of judges, the almost complete elimination of judicial review, the abolition of the institution of legal advisers as gate keepers, undermining free press – all these proposed measures mean that there will be no independent judicial branch, no separation of powers and no rule of law in Israel. There is no democracy in the world that exists under these conditions. As proposed, this planned regime change is appalling and dangerous, and will result in severe damage to human and civil rights in Israel and to the loss of the country's democratic legal structure.

We call on those involved in the legislative process to avoid hasty constitutional legislation that will change the face of the country. We also call for an open, respectful and tolerant dialogue on the critical issues in dispute, with the aim of reaching a broad agreement.