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Über Jahre hinweg konnte diese rechtsterroristische Gruppierung unbehelligt morden.

Bis heute ist nicht klar, wie viele Personen tatsächlich involviert waren, wer zu welchem Zeitpunkt wovon wusste und wer auf welche Weise unterstützte - bei einer rassistischen Anschlagsserie, die bis in die Gegenwart hinein das Zugehörigkeitsgefühl und das Vertrauen unzähliger Menschen in den Staat und seine Ermittlungsbehörden erschüttert hat.

Feststeht: Die Ermittlungen konzentrierten sich viel zu lange darauf, in den Biografien der Todesopfer nach kriminellen Verbindungen oder Motiven zu suchen, die das Geschehene hätten erklären sollen. Ihre Angehörigen wurden zu Verdächtigen gemacht. Anstatt dass Hinterbliebenen und Freund*innen geholfen worden wäre, Antworten und Aufklärung zu erhalten, wurden diese mit rassistischen Vorurteilen konfrontiert.

Im April jähren sich die Todestage von drei Mordopfern des NSU. Am 4. April 2006 wurde der 39-jährige Mehmet Kubaşık in seinem Kiosk in der Dortmunder Nordstadt erschossen. Diesen hatte er zwei Jahre zuvor eröffnet: seine Frau und er hatten sich 2003 ganz bewusst dafür entschieden, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen – Deutschland fühlte sich wie Zuhause an. Nach dem Mord an Kubaşık kam es den ermittelnden Beamt*innen nicht in den Sinn, dass der Anschlag rechtsterroristisch motiviert gewesen sein konnte. Stattdessen gerieten sowohl seine Witwe als auch seine Kinder in den Fokus der polizeilichen Aufklärung.

Ähnliches spielte sich im Falle von Halit Yozgat ab, getötet am 6. April 2006 in Kassel. Sein Vater und er betrieben dort gemeinsam ein Internetcafé – dort verstarb Halit nach zwei gezielten Kopfschüssen durch den NSU, in den Armen seines Vaters. Und wieder vermutete die Polizei, der 21-Jährige sei in illegale Rauschgiftgeschäfte verstrickt gewesen, das Tatmotiv sei somit beim Ermordeten selbst und seinen angeblichen kriminellen Aktivitäten zu finden.

Bis heute im Dunkeln bleibt die Frage, weswegen ein damaliger Mitarbeiter des hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz, Andreas Temme, sich nur wenige Augenblicke nach den Schüssen aus dem Internetcafé entfernte. Weswegen er überhaupt dort gewesen war, wie er nichts von dem Mord hatte mitbekommen können – der Zugang zur Akte von Temme wurde über Jahrzehnte gesperrt, und damit auch der Zugang zu möglichen Antworten.
  In Heilbronn wurde die Polizistin Michèle Kiesewetter, 22 Jahre alt, am 25. April 2007 getötet. Zusammen mit einem Kollegen wollte sie am frühen Nachmittag eine Pause machen, die Beamt*innen stellten ihren Dienstwagen am Rand der Theresienwiese ab und öffneten die Autotüren. Ein Passant fand die beiden wenig später blutüberströmt vor, Michèle überlebte die Schüsse nicht, ihr Kollege war schwer verletzt.

Angehörige, Hinterbliebene, Freund*innen und Unterstützer*innen setzen sich seit Jahren dafür ein, dass den Ermordeten würdig und angemessen gedacht wird. Sie kämpfen dafür, dass Rassismus, rechte Gewalt und ihre Akzeptanz konsequent geächtet werden. Die lückenlose und schonungslose Aufklärung aller offenen Fragen, welche die Morde des NSU noch immer begleiten, sind die Ermittlungsbehörden bis jetzt schuldig geblieben.