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Der Bericht “Muslimfeindlichkeit - Eine deutsche Bilanz” ist am 29. Juni 2023 erschienen. Er wurde vom Unabhängigen Expert*innenkreis Muslimfeindlichkeit (UEM) erarbeitet, den das Bundesinnenministerium nach dem rassistischen Anschlag in Hanau 2020 einberufen hat. Saba-Nur Cheema, die ehemalige pädagogische Leiterin der Bildungsstätte Anne Frank, hat als Expertin am Bericht mitgearbeitet und beantwortet uns einige Fragen.  

Muslimfeindlichkeit, antimuslimischer Rassismus, Islamfeindlichkeit – kannst du kurz diese Begriffe für uns sortieren?

Der Streit um die richtige Benennung des Phänomens ist ein Dauerbrenner und lenkt häufig vom Problem selbst ab. Im UEM haben wir die Konzeptvielfalt als Gewinn gedeutet und eine Definition entwickelt, die die Vorzüge jeder Bezeichnung integriert. Muslimfeindlichkeit kann nicht nur Ausdruck von einem ausgeprägten Hass gegen den Islam sein (Islamfeindlichkeit), sondern auch eine Form von Rassismus. Dabei werden Muslim*innen – und als solche wahrgenommene Menschen – aufgrund ihres Aussehens, ihrer (vermeintlichen) Herkunft oder Religion als anders, nicht gleichwertig angesehen und deswegen ausgegrenzt und diskriminiert.

Du hast dich für den Bericht besonders mit dem Bereich Bildung befasst: Wie trägt das Bildungssystem zu Muslimfeindlichkeit bei?

Ich würde mir wünschen, dass im Bildungsbereich Muslimfeindlichkeit als Problem adressiert wird, aber leider sind wir noch weit davon entfernt: So trägt z.B. die Schule eher dazu bei, dass antimuslimische Narrative verbreitet werden. Neben den verbalen Anfeindungen, die insbesondere kopftuchtragende Schüler*innen seitens Mitschüler*innen und sogar Lehrkräften erleben, sind es auch die Materialien selbst. So zeigt eine Studie, die wir für den UEM in Auftrag gaben, dass der Islam und Muslim*innen in Schulbüchern vor allem dann vorkommen, wenn es um Gewalt, Terror und Integrationsschwierigkeiten geht.

Welche Rolle spielen Medien & die Berichterstattung für muslimfeindliches Denken?

Medien und Berichterstattung spielen eine große Rolle, indem sie noch immer zu muslimfeindlichen Erzählungen beitragen.  Eine neue Studie zeigt, dass der Islam und Muslim*innen mehrheitlich negative Presse bekommen und positiv konnotierte Themen über muslimisches Leben in der Mainstream-Presse fehlen. Dabei könnte das auch ein Weg sein, Muslimfeindlichkeit entgegenzuwirken! Es sind eher die sozialen Medien, in denen sich etwas verändert und z.B. muslimische Akteur*innen andere Narrative über den Islam und Muslim*innen zeigen. Dieses Potenzial wird aber von den großen Medienhäusern noch nicht gesehen bzw. genutzt.

Was sind die wichtigsten Empfehlungen der Studie? Was ist dir besonders wichtig?

Neben fachspezifischen Empfehlungen haben wir zentrale Handlungsempfehlungen für den Staat erarbeitet. Wir empfehlen eine nachhaltige Strategie zur Bekämpfung von Muslimfeindlichkeit, indem u.a. die Sensibilisierung für das Phänomen durch Weiterbildungen verpflichtend für staatlich Angestellte wird – sei es in der Schule, Justiz, Polizei, aber auch in anderen Bereichen wie Medien und Gesundheitswesen. Da es noch nicht ausreichend Mechanismen gibt, um Muslimfeindlichkeit besser zu erfassen, empfehlen wir die Einrichtung von Monitoring- und Beratungsstellen sowie die Förderung der Forschung über die Benachteiligung der Muslim*innen in diversen Bereichen. All dies sind grundlegende Empfehlungen, um die staatliche Bekämpfung von Muslimfeindlichkeit mit der Zeit immer bedarfsgerechter zu gestalten.