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Obwohl ihre Richtlinien solche Inhalte eigentlich ausschließen, sind die meisten Verschwörungsvideos vor allem auf großen Videoportalen wie YouTube zu finden.

„Leute, bewaffnet Euch auch mit Schußwaffen. Es kommt noch ganz dicke. Auf zur 2. Wende.“ Diesen Kommentar liest man unter einem in der Corona-Leugner*innen-Szene bekannten Video. Im Clip verbreitet eine wütende Frau mittleren Alters Verschwörungsmythen über die Corona-Impfung und den deutschen Staat. Neben diesem Video stehen weitere Clips mit Neonazi-Propaganda von Hitler- und SS-Fans, Anleitungen zum Fälschen von Impfausweisen und Geraune über die große Weltverschwörung. Eine Startseite voller Verschwörung und Hass: Wir sind auf dem Videoportal BitChute, wo sich die rechtsextreme Verschwörungsszene tummelt.

Woher kommen eigentlich die ganzen Verschwörungs-Videos? Obwohl ihre Richtlinien solche Inhalte eigentlich ausschließen, sind die meisten Verschwörungsvideos vor allem auf großen Videoportalen wie YouTube zu finden. Nur offen rechtsextremer und gewaltverherrlichender Content wird regelmäßig gelöscht. Vielen rechten Video-Produzent*innen geht das jedoch schon zu weit. Sie stellen ihre antisemitischen, rassistischen oder auf andere Weise hetzerischen Inhalte auf alternativen Portalen ein. „Alt-Tech“ ist die Bezeichnung für diese digitalen Plattformen, auf denen Kontroll-Mechanismen der klassischen Sozialen Medien nicht greifen und radikale Inhalte unmoderiert verbreitet werden können. Eine dieser Plattformen ist BitChute. 

BitChute ist ein Videoportal, das ähnliche Funktionen bietet wie YouTube. Hier findet man unter dem Deckmantel der „Meinungsfreiheit“ Querdenker-Inhalte, rechtsextreme Videos und Falschinformationen. Der Sitz der Seite befindet sich in England, jedoch wird die Plattform v.a. in den USA genutzt. Rund 4,5 Prozent der Zugriffe kommen aus Deutschland – fast 2.3 Millionen im Monat. Das BitChute-Netzwerk funktioniert durch sogenanntes BitTorrent-Filesharing: Die User*innen stellen ihre eigenen PCs als Serverkraft zur Verfügung, wodurch es keine zentralen Server gibt, die man sperren könnte. Juristisch eine Grauzone, denn die Plattform kann so die Verantwortung für problematische Inhalte auf die Nutzer*innen abwälzen. 

Durch diese Technik ist BitChute ein beliebter Ort für rechtsextreme Video-Blogger*innen. Beispielsweise für den Holocaust-Leugner Nikolai Nerling, besser bekannt als „Der Volkslehrer”, den antisemitischen Verschwörungstheoretiker Attila Hildmann und den rechten Journalisten Oliver Janich. Viele BitChute-Inhalte tauchen auch auf anderen Kanälen auf, insbesondere auf Telegram, wo sie in Verschwörungsgruppen geteilt werden. Somit sind die Aufrufzahlen auf BitChute alleine kein sicherer Indikator dafür, wie populär die Videos tatsächlich sind. 

Fast jedes bekannte Soziale Netzwerk hat mindestens einen Alt-Tech-Ableger. Von dieser Form Sozialer Medien geht eine größere Bedrohung aus als von den gewöhnlichen, da sich hier kaum meinungsbildende Inhalte finden, die ein Gegengewicht zum extrem rechten Content bilden könnten. Das beweist auch eine Studie der Cornell University: 75 Prozent der Kommentare auf BitChute enthalten mindestens einen Begriff aus dem Bereich Hassrede; 21 Prozent der Inhalte drehen sich sogar vollständig um Hassrede und bilden den Nährboden für extremistische Gewalt und rechten Terror. 

Terroristen wie Robert Gregory Bowers haben auf Alt-Tech-Plattformen eine Echokammer gefunden. Bowers beging am 28.10.2018 einen antisemitischen Anschlag auf eine Synagoge in Pittsburg (USA) und tötete elf Menschen. Nicht nur nutzte er die AltTech-Twitter-Alternative Gab, um seine Hetze zu verbreiten, er fand dort auch viele Gleichgesinnte, die fast ausnahmslos dieselben menschenverachtenden Ideologien vertreten. Es ist nicht verwunderlich, dass die Gründer*innen von „Gab“ sowie der anderen bekannten Alt-Tech-Plattform „Parler“ enge Beziehungen zu rechten Kreisen pflegen. Die Gründer*innen selbst verbreiten antisemitische, rassistische und verschwörerische Inhalte. Die Neue Rechte schafft sich so global vernetzte Räume, in denen demokratische Grundrechte wie Menschenwürde und Gleichberechtigung keine Rolle spielen. 

Zwar sind nicht alle Alt-Tech-Gründer*innen im Verschwörungsmythen-Millieu oder in rechten Kreisen einzuordnen, dennoch dulden sie auf ihren Plattformen ebendiese Inhalte und verdienen mit ihnen Geld. Unter dem Vorwand, die „Meinungsfreiheit“ zu wahren, werden ihre Portale zum Sammelbecken für hetzerische Videos und Texte. 

Gängige Plattformen wie YouTube, Twitter etc. sind davon genauso betroffen. Auch sie profitieren von der Monetarisierung fragwürdiger Inhalte. Laut einer Studie des Centers for Countering Digital Hate (CCDH) bleiben rund 80 Prozent der antisemitischen Inhalte auf in den gängigen Sozialen Medien stehen und werden nicht gelöscht. Nötig wäre eine bessere Moderation und die strengere Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien, um die Entstehung rechter Echokammern zu vermeiden. 

Für die Sperrung von Alt-Tech-Plattformen gibt es hingegen bislang wenig juristische Handhabe, da sich die meisten Server entweder im Ausland befinden oder die User*innen selbst für die Inhalte verantwortlich sind. Umso wichtiger ist es, Medienkompetenz zu entwickeln und zu lehren, um verschwörerische und rechtsextreme Inhalte zu erkennen.