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23. November 2023


Wir haben mit der Psychologin Rana Hanna darüber gesprochen, wie sich rassistische Diskriminierung auf die Psyche auswirkt – und wie gut Therapeut*innen darauf vorbereitet sind, Rassismus in der Behandlung zu berücksichtigen.

Welche Auswirkung kann Rassismus auf die Psyche der Betroffenen haben? 

Struktureller Rassismus begegnet vielen Betroffenen in Form von konkreten Diskriminierungserfahrungen. Er kann zu einer sehr frühen Stigmatisierung, dem grundsätzlichen Gefühl des „Anders - “ und „Ausgegrenzt-“ Seins führen.  Damit gehen oft Selbstwertprobleme einher, die Verhaltens- und Erlebensmuster beeinflussen. Es sind immer wieder kleine Traumata, die sich auf die Psyche auswirken und dabei Stress verursachen, wodurch sich das Risiko eine Depression zu entwickeln deutlich erhöht. Die meisten Studien dazu kommen aus den USA, in Deutschland gibt es dazu wenig Forschung. Psychische Belastungen dieser Art entstehen nicht als Folge EINER konkreten Situation. Vielmehr geht es um die wiederholenden Erfahrungen und die Konfrontation mit teilweise unbewusster und individueller rassistischer Diskriminierung (racial microaggression). Dieser andauernde Stress wirkt sich negativ auf die psychische Stabilität aus. 

Welche Herausforderungen gibt es für Rassismus Betroffene, die eine Therapie machen wollen? 

Betroffene kommen aufgrund ihrer Symptome und Belastungen, nicht mit einem fertigen Erklärungsmodell. Sie spüren in erster Linie die Auswirkungen von strukturellem Rassismus in Form von depressiven Symptomen, Ängsten, Schlaflosigkeit, somatischer Beschwerden etc. und bringen diese Symptome zunächst mit sehr vielen unterschiedlichen Ursachen in Verbindung. Rassistische Erfahrungen subtiler Art werden häufig zunächst nicht erzählt, teilweise nicht wahrgenommen. Eine der größten Herausforderungen für die Betroffenen ist die Scham zu überwinden, über Erlebtes zu sprechen und die Sorge von den Therapeuten*innen nicht ernst genommen zu werden. („vielleicht bilde ich mir das alles nur ein?“ „vielleicht übertreibe ich“).  

Was kann Betroffenen helfen, die eine Therapie machen möchten? 

Es ist notwendig und hilfreich, therapeutisch von jemandem behandelt zu werden, der über das individuelle Thema hinaus auch den strukturellen Diskriminierungskontext mitberücksichtigt und mit in das Entstehungs- und Erklärungsmodell der Symptome einbettet. Dabei ist es sehr wichtig, die Erfahrung der Patient*innen zu bestätigen - für ihr Selbstverständnis, und um sie zu entlasten.  

Wie können Therapeut*innen gut mit Rassismus umgehen?  

Bis vor ein paar Jahren wurde in der therapeutischen Ausbildung struktureller Rassismus überhaupt nicht gelehrt und auch nicht dafür sensibilisiert. Wir Therapeuten*innen werden darin ausgebildet das Individuum wahrzunehmen und zu behandeln. Das führt häufig dazu, dass der strukturelle Diskriminierungskontext vernachlässigt wird. Darüber hinaus spielen eigene (unbewusste rassistische) Verhaltens- und Bewertungsmuster eine wesentliche Rolle in der Therapie. Wie ist der*die Therapeut*in selbst kulturell geprägt, wie sozialisiert? Im Rahmen der Ausbildung sollten diese Themen in der Selbsterfahrung bearbeitet werden. Schlussendlich sollten Therapeuten*innen ihren betroffenen Patient*innen erklären und aufzeigen was Rassismus mit der Seele macht und die Patient*innen in ihrem Erleben validieren.  

​​​​​​​Ein Fortschritt ist bereits zu verzeichnen: Mit der 2019 beschlossenen Ausbildungsreform wurde zum ersten Mal festgeschrieben, dass The­ra­peu­t*in­nen in der Lage sein müssen die „menschliche Diversität in der Psychotherapie in Bezug auf Gender, Ethnie beziehungsweise Kultur, sexuelle Orientierung, Beeinträchtigung und andere Aspekte“ zu berücksichtigen. 



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