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26. Juni 2023
von Noèmi Heldmann und Sarah Stemmler


Wir schauen uns drei Serien an, die unterschiedlich mit jüdischen Charakteren umgehen – und bei denen uns teilweise erst im Rewatch aufgefallen ist, dass sie überhaupt jüdische Elemente haben.

Ein Blick auf „Grey’s Anatomy“, „The O.C.“ und „Gilmore Girls“

Eine gute Serie kann so vieles sein: Begleitung durch die schlimmsten Phasen der Pubertät, Trostpflaster bei einer fiesen Erkältung, sicherer Hafen für erschöpfte Erwachsene, die sich bei den Lieblingscharakteren ihrer Jugend ausruhen wollen. Aber für wen bieten Serien eigentlich Identifikationsfiguren? Oft sind die Protagonist*innen weiß, hetero, able-bodied – und christlich. Würde man den Bechdel-Test, der erfunden wurde, um weibliche Repräsentation in Filmen zu messen, auf jüdische Figuren anwenden, würden vermutlich viele Filme und Serien durchfallen. Jüdische Elemente kommen in Serien häufig nur am Rande vor oder werden stark stereotyp dargestellt. Wir schauen uns drei Serien an, die unterschiedlich mit jüdischen Charakteren umgehen – und bei denen uns teilweise erst im Rewatch aufgefallen ist, dass sie überhaupt jüdische Elemente haben.

Levi Schmitt in „Grey’s Anatomy“

„Grey’s Anatomy“ ist DIE amerikanische Krankenhausserie – sie läuft seit 2006, hat inzwischen 19 Staffeln und der Erfolg scheint nicht abzureißen. Lob bekommt die Serie vor allem für ihren diversen Cast und ihre komplexen Figuren, zu denen in der 14. Staffel auch ein jüdischer Arzt hinzugekommen ist. Auf TikTok ist Levi Schmitt, gespielt von Jake Borelli, Thema vieler Videos und ein absoluter Zuschauer*innenliebling. Levi ist schwul und jüdisch, und bringt immer wieder jiddische Wörter und Traditionen in die Serie ein. So erklärt er in einer Folge der Chefärztin Bailey die Schiv'a, da sie gerade ihre Mutter verloren hat. TikToker*innen feiern Levi Schmitt und seine Familie als gelungene jüdische Repräsentation: Sie zeigen Ausschnitte einzelner Folgen und lachen darüber, dass Levis Mutter ihrer eigenen jüdischen Mutter ähnelt. Eine TikTokerin merkt allerdings auch an, dass es noch besser wäre, hätte man Levi mit einem jüdischen Schauspieler besetzt.
 

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Das bringt uns zu einer der erfolgreichsten Teenie-Serien der 2000er, deren jüdischer Protagonist auch einen jüdischen Schauspieler groß herausgebracht hat ... 

„The O.C.“  

Die bekannteste jüdische Referenz aus „The O.C.“ ist „Chrismukkah“ – eine Kombination von Christmas und Hanukkah, „the greatest super holiday known to mankind“. Erfunden wird dieser besondere Feiertag von Seth Cohen, dem Protagonisten der Teenage-Drama-Serie. Seth hat eine christliche Mutter (Kirsten Cohen) und einen jüdischen Vater (Sandy Cohen), die zur High Society des wohlhabenden bis superreichen Newport in Kalifornien gehören. Seth ist nerdig, selbstironisch, unsicher – ein Außenseiter zwischen coolen Surfern und muskulösen Waterpolo-Spielern. Bis die Familie Ryan aufnimmt, einen jungen Mandanten von Sandy Cohen, der als Pflichtverteidiger arbeitet. Ryan steht für alles, was Seth nicht ist: Im Feinripp-Hemd kommt er als Arbeiterkind daher, das gewohnt ist, sich zu prügeln und aus Geldnot auch mal versucht, ein Auto zu klauen. Natürlich werden Ryan und Seth beste Freunde. Während die Serie mit übertrieben dramatischen Storylines aufwartet und versucht, zwischen Pool-Partys und Privatschule eine Aufsteigergeschichte zu erzählen, spielt auch das Jüdischsein von Seth und seinem Vater Sandy immer wieder eine Rolle. Ob beim morgendlichen Bagel, den Seder-Feierlichkeiten oder dem wiederkehrenden Chrismukkah – oft sind es jüdische Elemente, die die Familie zusammenbringen. 
 

Und auch wenn „The O.C.“ in vielerlei Hinsicht nicht besonders progressiv ist: Seth und Sandy werden als Vorbilder dargestellt, als starke, sympathische und selbstkritische Charaktere, die mit ihrem Jüdischsein selbstbewusst umgehen. Bei der Serie, die wir uns als letztes anschauen, wurden die jüdischen Elemente dagegen viel mehr versteckt …

„Gilmore Girls“ 

„Where you lead, I will follow“ – so beginnt der Theme-Song der Serie „Gilmore Girls“, die seit Anfang der 2000er eine treue Fangemeinde hat. Was wenige wissen: Der Songtext ist der hebräischen Bibel entnommen und bezieht sich auf einen Dialog im „Buch Ruth“. Die Wohlfühlserie über die (manchmal beängstigend) enge Mutter-Tochter-Beziehung von Lorelai und Rory Gilmore ist voll von halb versteckten jüdischen Elementen. Da wären die freitäglichen Dinner-Abende bei Emily Gilmore, Lorelais Mutter, die absolut verpflichtend sind und an Schabbat erinnern. Oder die Chuppah, die Lorelai kurz vor der Hochzeit geschenkt bekommt – ein Baldachin, unter dem jüdische Paare traditionell während der Hochzeitszeremonie stehen. Und so viele weitere Details: jiddische Wörter, die teils zum running gag werden, der kleine Deko-Rabbi in Lorelais Wohnzimmer, der echte Rabbi der Kleinstadt, der sich die Kirche mit dem christlichen Priester teilt.


Während viele dieser Elemente als Repräsentation jüdischer Kultur gedeutet werden können, gibt es auch eher unerfreuliche Stereotype. Paris Geller, Rorys High School Freundin, ist der einzige explizit als jüdisch gelabelte Charakter – sie wird als neurotisch und obsessiv dargestellt und braucht wegen ihrer „Empfindsamkeit“ sowohl einen Therapeuten als auch einen Life Coach. Man muss Paris nicht negativ wahrnehmen, aber einen jüdischen Bechdel-Test würde Gilmore Girls wohl nicht bestehen, zu versteckt sind die Anspielungen und zu klischeehaft das Offensichtliche.  

Eine spätere Serie der jüdischen Regisseurin Amy Sherman-Palladino geht viel offener mit jüdischer Identität um: „The Marvelous Mrs. Maisel“, erschien 2017, endete dieses Jahr mit der fünften Staffel. Doch auch hier sind viele Zuschauer*innen hin und her gerissen, zwischen der Kritik an stereotyper Darstellung und Repräsentation.  

Welche Serie fehlt dir in unserer Aufzählung? Fällt dir ein Beispiel für gelungene Repräsentation ein? Oder möchtest du endlich mal eine Serie kritisieren, die jüdische Charaktere viel zu platt darstellt? Schreib deine Gedanken dazu gern in die Kommentare.  


Update:

Vielen Dank für das tolle Feedback, das ihr uns zu dem Beitrag geschickt habt! Ihr hattet viele weitere Ideen zu gelungener und weniger gut gelungener jüdischer Repräsentation in Serien. Darunter:

Friends
New Girl
The Marvelous Mrs. Maisel
Grace and FrankieSeinfeld
Big Bang Theory
9-1-1: Lone Star
Lass es Larry!
Orange Is The New Black
Crazy Ex Girlfriend
Die Nanny

Das ist auf jeden Fall genug für einen Teil 2! Welche Serie darf dabei auf keinen Fall fehlen? Schreib uns auf Instagram oder an: socialmedia@bs-anne-frank.de. Wir freuen uns von dir zu lesen!


Ein Beitrag aus der Reihe „(Un)hyped“ der Bildungsstätte Anne Frank. 

Im Mai 2023 starteten wir unsere neue Reihe „(Un)hyped“. Dabei wollen wir in regelmäßigen Abständen Filme, Serien, Bücher, Games, Genres und andere popkulturell relevante Formate kritisch unter die Lupe nehmen und in Hinblick auf unsere Kernthemen Antisemitismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit untersuchen. Welcher Film ist gut gealtert – welcher schlecht? Und welche Serie ist so problematisch, dass sie vielleicht einfach gecancelt werden sollte? Unterschiedliche Kolleg*innen der Bildungsstätte teilen ihre Perspektiven.