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Was steckt
hinter dem Begriff …
Kindertransporte 1938/1939?
Kinder auf der Flucht – Überleben und Trauma
„Auf bald, mein Kind!“ Mit diesen oder ähnlichen hoffnungsvollen und tröstlichen Worten wurden etwa 20.000 jüdische Kinder und Jugendliche zwischen November 1938 und dem Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 von ihren Eltern verabschiedet, bevor sie Deutschland und Österreich per Zug oder Schiff verließen. Zahlreiche Hilfsorganisationen hatten sich dafür eingesetzt, den Kindern die Ausreise zu ermöglichen. Die Flucht rettete sie vor den Nationalsozialisten, bedeutete aber auch meist einen Abschied für immer von ihren Familien. Es war ein einsamer Aufbruch in ein fremdes Land, der für viele Kinder traumatisch und schwer zu begreifen war. Die Rettungsaktion ging als sogenannte „Kindertransporte“ in die Geschichte ein.
Wie kam es zu den Kindertransporten?
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 und der zunehmenden Entrechtung der jüdischen Bürger*innen, die auch diejenigen betraf, die sich nicht als jüdisch gläubig definierten, versuchten immer mehr Jüdinnen und Juden, ins Exil auszuwandern. Doch spätestens die Konferenz von Évian im Juli 1938, bei der 32 Staaten zusammenkamen, um über die Aufnahme jüdischer Flüchtlinge zu beraten, brachte die erschütternde Erkenntnis: Kaum ein Land war bereit, eine nennenswerte Anzahl jüdischer Emigrant*innen aufzunehmen. „Niemand will sie haben“, kommentierte höhnisch das NSDAP-Sprachrohr „Völkischer Beobachter“.
Erst nachdem die schockierenden Berichte über die Novemberpogrome 1938 um die Welt gingen, lockerten einige Länder ihre Einreisebestimmungen für jüdische Flüchtlinge, indem sie sich bereit erklärten, Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren aufzunehmen. Für viele verzweifelte Eltern eröffnete sich so die Chance, zumindest ihre Kinder zu retten.
Wer durfte mit, und wohin führte die Flucht?
Die Kindertransporte gingen überwiegend von Deutschland und Österreich aus (aber auch von Polen und der Tschechoslowakei) und führten u.a. nach Großbritannien, in die USA, die Niederlande, Frankreich, Belgien, Schweden und die Schweiz. Die meisten Kinder, rund 10.000, wurden von Großbritannien aufgenommen. Sie wurden in Pflegefamilien oder Heimen untergebracht. Die Plätze waren knapp und die „Aufnahmeregeln“ streng: Kinder zwischen sechs und 17 Jahren mit entsprechenden Papieren, ohne Behinderung, bevorzugt Mädchen, da sie als anpassungsfähiger galten und williger, im Haushalt zu helfen. Mache Kinder wurden von den neuen Familien herzlich aufgenommen und gefördert, andere als billige Arbeitskraft ausgenutzt. Geschwister wurden meist getrennt, und der Druck auf die Kinder, sich in der neuen Umgebung anzupassen und z. B. nicht mehr Deutsch zu sprechen, war sehr hoch. Dennoch: Sie waren gerettet.
Erinnerung an die Kindertransporte in Frankfurt am Main
Die Ausreiseknotenpunkte für die Kindertransporte in Deutschland waren Berlin und Frankfurt am Main.
Zur Erinnerung an dieses weniger bekannte Kapitel der NS-Zeit wurde im September 2021 im Frankfurter Bahnhofsviertel ein Denkmal eingeweiht, dass die Leerstelle symbolisiert, die die Kinder hinterlassen haben – in den Familien, in den Schulen, im öffentlichen Leben. Das Denkmal ist einem alten Holzkarussell nachempfunden, darauf zu lesen sind die Abschiedsworte: „Auf bald, mein Kind“, „Auf Wiedersehen, Mutter“, „Auf Wiedersehen, Vater“. Entworfen wurde das „Waisen-Karussell“ von der israelischen Künstlerin Yael Bartana.
Ausstellung in der DNB zeichnet sechs Kinderschicksale nach
Auch die Ausstellung „Kinderemigration aus Frankfurt“ des Deutschen Exilarchivs 1933-1945 der Deutschen Nationalbibliothek (DNB) in Frankfurt widmet sich noch bis zum 15. Mai 2022 den Kindertransporten. Dabei zeichnet sie die Biografien von sechs Kindern aus Frankfurt nach, deren Schicksale unterschiedlicher nicht sein könnten. Eines davon ist das von Ruth K. Westheimer alias „Dr. Ruth“, der berühmten Sexualtherapeutin aus den USA, die in Frankfurt aufgewachsen ist und in ein Kinderheim in der Schweiz geschickt wurde.
Junges Schauspiel Frankfurt schlägt Bogen in die Gegenwart
Das Junge Schauspiel Frankfurt hat ausgehend von dieser Ausstellung ein Jugendtheaterprojekt mit dem Titel „See you“ konzipiert, das am Freitag, dem 28. Januar 2022, in den Kammerspielen des Schauspiel Frankfurt Premiere feiern wird. Dabei taucht das diverse Jugendensemble in die bewegenden Geschichten der sechs in der Ausstellung porträtierten „Kindertransport-Kinder“ aus Frankfurt ein und schlägt zugleich den Bogen in die Gegenwart. Denn auch heute gibt es minderjährige Flüchtlinge, die allein und unbegleitet ins Ungewisse aufbrechen. Weitere Informationen zu dem Projekt "See you".
Quellen:
Lieberz-Groß, Till: „Kindertransporte zwischen 1938 und 1940“, auf der Webseite des Projektes „Jüdisches Leben in Frankfurt“
Blogbeitrag „Die Kindertransporte 1938/1939“ auf der Webseite des Deutschen Historischen Museums, Berlin
Webseite zur Ausstellung „Geschlossene Grenzen. Die Internationale Flüchtlingskonferenz von Èvian 1938“, die in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin gezeigt wurde
Spiegel Online, 6.07.2018, „Flüchtlingskonferenz von Évian 1938. Als die Welt sich abwandte“
Beitrag zum Waisen-Karussell auf der Webseite „Kunst im öffentlichen Raum Frankfurt“
Über die Ausstellung „Kinderemigration aus Frankfurt“ auf der Webseite der Deutschen Nationalbibliothek