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Wir sprachen mit der Projektleiterin Hami Nguyen über die Inhalte der neuen Episode und die Anforderungen, die ein Game für den Schulunterricht erfüllen muss.

Ganz kurz: Was ist „Hidden Codes“?

„Hidden Codes“ ist ein mobiles Game zur Radikalisierungsprävention, das von Schulklassen im Unterricht gespielt werden soll. Das Spiel simuliert die Social-Media-Umgebung der Redaktion einer Schüler*innenzeitung, in der verschiedene Ereignisse diskutiert werden. Als Spieler*in bin ich Teil der Redaktion/Peergroup und kann so den Spielverlauf beeinflussen.

Bevor wir zur bald erscheinenden Episode 3 übergehen: Worum ging es in den ersten beiden?

In der Episode 1 begleiten wir die Schülerin Emilia, die sich mit Patricia anfreundet. Patricia weist wachsende Bezüge zur Neuen Rechten auf, zeigt also Anzeichen von Radikalisierung. Die Spieler*innen werden dazu ermutigt, die entsprechenden Hinweise zu erkennen, also z. B. versteckte rechte Codes und Profile. Dabei verwenden wir echte und fiktive Symbole.

Bei der Episode 2 liegt der Schwerpunkt auf der Gaming-Szene: Es geht um Gaming-Foren, in denen Antisemitismus und Verschwörungstheorien verbreitet werden: krude Thesen über eine „Weltelite“, Corona oder 9/11. Wir werden Zeug*innen, wie Gamer eine Veranstaltung sprengen, Foren mit Memes fluten. Dabei sollen die Spieler*innen lernen, welche Erzählungen antisemitisch oder rechtsextrem sind.

Was erwartet uns in der Episode 3?

In der Episode 3 geht es um Islamismus und Diversität im Islam. Die Protagonist*innen repräsentieren dabei drei verschiedene muslimische Realitäten: Bahar ist Iranerin, trägt kein Kopftuch und macht Musik in einer Band. Erkan ist eine nicht-binäre Person mit Uigur-Wurzeln, die auch von antiasiatischem Rassismus betroffen ist. Khadija ist eine schwarze Muslimin mit Kopftuch und bloggt. Es geht also auch um Intersektionen von antimuslimischem Rassismus.

Der Plot behandelt eine virtuelle muslimische Modenschau, die von Hasskommentaren geflutet wird – was sich wiederum islamistische Rekrutierer zunutze machen. Uns geht es darum zu zeigen, wie gerade antimuslimischer Rassismus solchen Rekrutierungsstrategien in die Hände spielt und dass sich islamistische Gewalt vor allem gegen Muslime selbst wendet.

Was ist das Besondere an Hidden Codes?

Es ist unseres Wissens nach, das erste mobile Spiel, das explizit für den Schulunterricht entwickelt wurde. Bei dem Entwicklungsprozess wirken viele verschiedene Expert*innen mit und auch die potenziellen User*innen – also die Schüler*innen selbst – sind involviert, z.B. indem sie dazu beitragen, dass die Sprache den Lebensrealitäten angepasst wird. Der Entstehungsprozess ist ein fortlaufendes Aushandeln, d.h. es kommt währenddessen auch immer wieder zu Veränderungen und Anpassungen der Handlung, da Radikalisierungsprozesse sehr komplex und wir auf die Expert*innen und die Expertise von den Betroffenen selbst angewiesen sind. So haben wir bei Episode 3 z.B. die komplette Handlung als sie eigentlich schon stand noch einmal umgeworfen und von vorn begonnen.

Uns war außerdem wichtig, dass das Spiel kein „Chocolate Broccoli“ ist, sondern wirklich Spaß macht! Wir vermeiden den erhobenen Zeigefinger und noch etwas ist uns wichtig: Egal, wie sich die Schüler*innen im Spielverlauf entscheiden – es wird in keinem Szenario zu einer Radikalisierung kommen. Denn wir wollen auf jeden Fall vermeiden, dass Jugendliche sich am Ende verantwortlich fühlen könnten. Es geht vielmehr darum, in einem geschützten Raum Handlungsoptionen ausprobieren zu können, Emotionen zuzulassen und über das Thema ins Gespräch zu kommen.

Was müssen Lehrkräfte wissen, die sich für das Spiel interessieren?

Grundsätzlich kann man das Spiel einfach herunterladen und in der Klasse einsetzen: Es ist kostenlos auf allen Plattformen zu finden, ob bei Google oder Apple. Wir empfehlen aber sehr, vorher eine kostenlose Fortbildung bei uns zu buchen, die in das Spiel einführt. Eine Episode ist dafür konzipiert, innerhalb von zwei Schulstunden von einer Klasse im Unterricht durchgespielt zu werden. Die Episoden bauen nicht aufeinander auf, sondern können nach thematischem Schwerpunkt und Altersschicht ausgewählt werden: Episode 1 ist eher etwas für die 8. Klasse, die Episode 2 für die 9. Klasse. Jede Episode ist in drei Kapitel gegliedert, nach denen eine anonyme Auswertung an alle Teilnehmenden zurückgespielt wird. Über diese Auswertung kann man dann kurz diskutieren. Zum Beispiel: Warum haben wir Patricia mehrheitlich diesen Rat gegeben? 

Wie ist die Resonanz?

Schon kurz nach der Veröffentlichung wurde das Spiel für einen Gaming-Preis nominiert, was uns natürlich sehr gefreut hat. Insgesamt ist das Interesse sehr hoch, wir haben zahlreiche Anfragen zu Fortbildungen, auch aus dem Bereich Soziale Arbeit. Auch eine vierte Episode ist schon in Planung, aber dazu wird noch nichts verraten!