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29. September 2021

Text: Eva Berendsen


Wie können gleich drei Terrorattentate im Wahlkampf einfach so unter den Tisch fallen?

Da rieben sich so manche die Augen: Nach Halle und Hanau, nach dem Mord an Walter Lübcke, nach dem NSU 2.0, nach den zahlreichen Erkenntnissen über rechte und gewaltbereite Netzwerke in Militär und Sicherheitsbehörden hatte der Themenkomplex “rechter Terror” im Wahlkampf praktisch keine Sendezeit. In einem einzigen Triell sprachen die Kandidat*innen einige Minuten über das Thema - eher pflichtschuldig. Nach den vollmundigen Versprechungen zur Aufarbeitung, die unmittelbar nach den Attentaten folgten, nach all den Bekenntnissen zur Bekämpfung von Rassismus und Antisemitismus waren da nicht nur Betroffenenverbände ernüchtert: Nahezu das gesamte Parteienspektrum hatte scheinbar Wichtigeres zu tun.

  Praktisch abwesend waren auch die Diskussionen über die geistigen Grundlagen der Gewalt: Rassismus und Antisemitismus. Die #blacklivesmatter-Proteste haben nicht nur junge Menschen auf diese Themen aufmerksam gemacht. Die Warnungen vor wachsendem Antisemitismus, die Gewalt gegen Stätten jüdischen Lebens, die Debatte über nationalsozialistische Kontinuitäten, die Diskussion über Deutschlands koloniales Erbe – all das war im Wahlkampf abwesend. Die im Zuge der Corona-Krise rasant gewachsenen verschwörungstheoretischen Bewegungen wurden ebenfalls herausgehalten – wenn ihnen nicht gar ein Mikrofon gereicht wurde. Stattdessen: peinliche Statements zum Gendersternchen.

  Gleichzeitig wurde sichtbar, dass diejenigen, die am meisten zu diesen Themen zu sagen hätten, gar nicht gefragt werden. 10 Millionen Menschen in Deutschland dürfen nicht wählen, auch wenn sie schon Jahre, Jahrzehnte in Deutschland leben. Die symbolische Repräsentation migrantisierter Menschen reicht nicht aus, wenn die Repräsentierten gar nicht die Wahl haben.

  Die erfolgreiche Dethematisierung dieser Themen quer durchs Parteienspektrum lässt es fraglich erscheinen, welchen Stellenwert Demokratie- und Menschenrechtsbildung für eine künftige Regierung haben werden. Der öffentliche Protest gegen eine staatliche Finanzierung der AfD-nahen Erasmus-Stiftung etwa verhallt bisher ohne Antwort aus Berlin.

  Fast könnte man meinen: Diese Themen waren gut zum Stimmenfang, nach der Wahl fallen sie wieder unter “Diverses”.