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4. Juli 2022


Sie wirken unschuldig, die jungen Frauen und Mädchen, die sich unter dem Hashtag #cottagecore präsentieren.

Seit 2018 existiert das Netzphänomen „Cottagecore“, ein Begriff, der sich aus „Cottage“ (Hütte/Landhaus) und „Hardcore“ zusammensetzt. Naturfotos, naive Malerei, Frauen in wallenden Kleidern beim Blumenpflücken, Handarbeiten und Flechtfrisuren – Cottagecore-Influencer*innen inszenieren in den sozialen Medien eine betont naturverbundene und feminine Welt. Mit über drei Millionen Treffern auf Instagram und über 10 Milliarden Aufrufen auf TikTok scheint die globale Gemeinschaft groß, divers und überwiegend friedfertig. Doch sieht man genauer hin, verdunkelt sich das schillernde Bild der „heilen Naturmädchenwelt“ – besonders in der deutschen Cottagecore-Community.

Auf immer mehr Profilen finden sich nämlich rechtsesoterische Inhalte und Symbole – wie die Lebensrune, ein bekanntes Erkennungszeichen neurechter Bewegungen. Auch einige Profile bekannter Frauen der Identitären Bewegung fügen sich optisch nahtlos in den Cottagecore-Mainstream. Die Bildbeschreibungen sind jedoch nicht so harmlos. So ruft z.B. eine der Anhängerinnen unter dem Hashtag #cottagecore zur „kulturellen und politischen Reinhaltung“ Europas auf und konstatiert, für sie sei das Landleben die einzige Möglichkeit, einen „ethnisch reinen“ Ort zurückzugewinnen. Dieser wäre in der Stadt bereits verloren.

Ein anderes weibliches Aushängeschild der Identitären Bewegung bedient sich auf Instagram und YouTube ebenfalls dieser Ästhetik. Darüber hinaus propagiert sie das Leben einer „Tradwife“, die in der traditionellen, biologistisch geprägten Rolle der verheirateten Frau voll und ganz aufgeht. Unter dem Hashtag findet man sonst überwiegend religiöse Ansätze dieses „Lifestyles“, jedoch nutzt die Influencerin diesen konkret zur Verbreitung rechter Ideologien wie etwa von Anti-Feminismus.

Viele Follower*innen der beiden betreiben Cottagecore- und Tradwife-Accounts oder folgen dem Trend, darunter viele deutsche und ausländische Accounts, die nationalsozialistisches Gedankengut verbreiten oder verharmlosen. Vom eigenen Etsy-Shop mit Runen-Stickereien bis zu einem zynischen „Reichskristallnacht“-Info-Post mit den Hashtags #idyllic und #flowersmakemehappy, profitiert rechte Ideologie von der Popularität der Cottagecore-Ästhetik. Und so findet unter dem Deckmantel der Naturliebe rechte bis rechtsradikale Vernetzung statt.

Doch wieso taucht ausgerechnet in der naiven und heilen Cottagecore-Szene rechtes Gedankengut auf? „Esoterische und ökologische Bewegungen teilen sich eine ähnliche Bildwelt mit rechten und antisemitischen Strömungen. Im Netz treffen diese aufeinander“, sagt Daniel Hornuff, Autor des Buches „Die Neue Rechte und ihr Design“. So ließe sich auch die Vermengung von rechter Ideologie mit der Idealisierung des Landlebens erklären. Besonders die Ideen von Heimatschutz, traditioneller Weiblichkeit und verklärtem Patriotismus werden hier vermengt.

Die Verbindung populärer Ästhetiken mit rechter Ideologie sei zudem nichts Neues, sondern eine gewollte Strategie der Neuen Rechten. Durch die Aneignung von Trends und Internet-Ästhetiken könne rechtes Gedankengut einfacher verbreitet werden und parallel vor Zensur schützen, so der Experte. Die rechte Szene nutzt die Popularität und vermeintliche Unschuld des Cottagecore, um ihre menschenfeindliche Agenda zu propagieren. Diese Tendenz ist bisher ein Randphänomen, jedoch beunruhigend. Denn die Konsument*innen von Cottagecore sind überwiegend Mädchen und junge Frauen. Somit könnten die Rechten über den Umweg idyllischer Bilder potenziellen Nachwuchs finden.

Weitere Informationen zum Thema rechte Frauen auf Instagram sind auf correctiv.org. unter „Kein Filter für Rechts“ zu finden.