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4. März 2022


Der 24. Februar 2022 hat die Lebensrealität unzähliger Ukrainer*innen vollkommen verändert – und sie gezwungen, vor Krieg, Tod, Verletzung und Angst zu fliehen. Medial ist die Invasion der Ukraine, vom russischen Präsidenten Vladimir Putin entschieden und begonnen, ein Thema, das in Echtzeit verfolgt und aufgearbeitet wird. News-Ticker und Push-Nachrichten überschlagen sich – immer der Frage auf der Spur: Was passiert gerade wo? Und mittendrin: Das Narrativ der „guten“, „christlich geprägten“ Geflüchteten, die sich von solchen aus anderen Kriegsgebieten unterscheiden sollen, und deren baldiges Ankommen innerhalb der Grenzen der Europäischen Union vermeintlich leichter toleriert und akzeptiert werden kann.

Exemplarisch für diese Art auf die Flüchtenden zu blicken und ihre Situation zu diskutieren, steht die an diesem Montag (28.02.2022) ausgestrahlte Folge des Polit-Talkmagazins „Hart aber fair“. Der Moderator leitete seine Frage mit der Anmerkung ein, auch 2015 hätte es eine sogenannte „Willkommenskultur“ gegenüber Geflüchteten gegeben, dies hätte sich im Anschluss „radikal geändert“: „Wird es diesmal anders laufen, einfach auch weil es Menschen sind, die unserem Kulturkreis näher sind?“ Die Antwort eines Gastes lautet: „Ich glaube tatsächlich, ja. […] Und ja, es ist unser Kulturkreis, es sind Christen.“

Dieser Zynismus, der menschliches Leid und das Recht auf Schutz und Asyl an der Hautfarbe, dem Herkunftsland, dem Glauben oder einer vorgestellten „Kultur“ misst, ist auch in der Berichterstattung internationaler Sender zu beobachten. So spricht ein Korrespondent gegenüber dem Nachrichtensender BBC davon, wie es ihm das Herz breche, den Mord an als europäisch gelesenen Personen mit blauen Augen und blonden Haaren mitansehen zu müssen. Ein anderer Beobachter äußert sich gegenüber CBS News mit den Worten, dass Kiew eine „zivilisierte Stadt“ sei – man erwarte dort schlicht und ergreifend nicht, dass Bomben einschlagen würden. Immerhin, Kiew sei nicht der Irak oder Afghanistan, wo seit Jahren Krieg herrsche.

Damit wird eine Relativierung bedient, die so nicht unwidersprochen stehengelassen werden darf: Krieg bleibt Krieg, Menschen auf der Flucht sind Menschen auf der Flucht – die Katastrophe, die ein Angriff auf das Land, in dem man lebt, auf die Stadt, in der man seinen Alltag verbringt, bedeutet, bleibt für jede*n Einzelne*n dieselbe. Das augenscheinliche Bedürfnis, den Angriff auf die Ukraine von anderen Kriegsschauplätzen wie dem Irak oder Afghanistan abgrenzen zu müssen, wird auch im französischen Fernsehen bedient. Auch hier handelt es sich um Medien, die ein breites Publikum informieren, unter anderem BFM TV. „Wir reden hier nicht über Syrer*innen, die fliehen – wir reden über Europäer*innen“, betont ein Kommentator. Auf demselben Sender bekräftigt einer seiner Kollegen: „Wir leben im 21. Jahrhundert, wir sprechen von einer europäischen Stadt, und dort werden Marschflugkörper abgefeuert, als ob wir im Irak oder Afghanistan wären – können Sie sich das vorstellen?”

Das Märchen der „guten“ Geflüchteten („gut“, weil „den Europäer*innen“ so ähnlich) kann sogar noch fortgeführt werden. So schreibt der Journalist Daniel Hannan in einem Kommentar für „The Daily Telegraph“: „In diesem Fall ist der Krieg falsch, weil die Menschen wie wir aussehen und sie Instagram- und Netflix-Accounts haben. Es handelt sich nicht um ein armes, weit entferntes Land.“

An dieser Stelle wollen wir unseren Appell wiederholen: Jetzt ist die Zeit der uneingeschränkten Solidarität gekommen. Allen Flüchtenden, egal welcher Herkunft, muss schnell und unkompliziert geholfen werden. Wer auch privat etwas tun möchte, kann unter anderem hier eine Übersicht der unterschiedlichen Hilfs- und Spendenmöglichkeiten finden.