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Erich Maria Remarques Geschichte vom jungen Soldaten Paul Bäumer, der sich freiwillig zum Dienst an der Front im Ersten Weltkrieg meldet, wurde für den Film teils stark abgeändert. Unsere Bildungsreferentin Céline Wendelgaß hat den Film gesehen und geht davon aus, dass der Erfolg der alten Kriegserzählung durchaus mit dem russischen Krieg gegen die Ukraine zu tun hat.

Wie findest du persönlich den Film? Findest du er hat die Auszeichnungen verdient?

Großer Fan von Kriegsfilmen bin ich im Allgemeinen nicht. Bei den sehr expliziten Darstellungen von Gewalt und Verletzungen frage ich mich immer, wie sinnhaft solche Szenen und Abbildungen sind. Ich habe mir den Film mitunter deshalb angeschaut, um zu sehen, wie die Narration von Krieg im Film aufgebaut ist, welche Perspektiven mitgedacht wurden und welche eher nicht. Und wie auch bei vielen anderen Filmen, ist auch dieser nicht multiperspektivisch aufgebaut. Es geht um die Perspektive der vermeintlich unschuldigen Soldaten. Aus dem Film könnte abgeleitet werden, dass es ganz wenige gab die Interesse an der Weiterführung des Krieges gehabt haben. Ein böser Offizier und Millionen Unschuldige sterben.

Wie erklärst du dir den internationalen Erfolg von “Im Westen nichts Neues”? Hat der Ukraine-Krieg etwas damit zu tun?

Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine dürfte starken Einfluss auf den Erfolg des Filmes haben. Die Aktualität von Krieg in Europa führt bei vielen Menschen zu einer Verknüpfung und mit Sorgen um das eigene Leben und die eigene Sicherheit. Da der Film selbst die Situationen der Soldaten in den Blick nimmt und die Geschehnisse um den ersten Weltkrieg eher ein Nebengeschehen sind, lassen sich mehr Bezüge zu anderen Kriegen herstellen.

Die deutschen Kritiken waren viel schlechter als auf dem internationalen Parkett. Warum?

Ich kann nicht so viel zu der Rezeption in den meisten Ländern sagen, aber es ist nicht weiter überraschend, dass der Film einen Oscar bekommen hat, also von einer US-amerikanische Jury ausgezeichnet wurde.  Im Film geht es um einen jungen Soldaten, der mit Begeisterung in den Krieg zieht und von den Geschehnissen dort überfordert und schockiert ist. In der US-amerikanischen Gesellschaft, in den vielen Menschen Kriegsveteranen sind und in Kriegen wie in Vietnam, Irak oder Afghanistan im Einsatz waren, ergibt das viele Anknüpfungspunkte. Die Erzählung über den Soldaten im Film folgt einem großen Entlastungsnarrativ der “unschuldigen” Soldaten, darin können und wollen sich viele Menschen wiederfinden.

Wenn ich über den deutschen Kontext nachdenke, habe ich stark den Eindruck, dass der erste Weltkrieg kaum eine Rolle in Erzählungen spielt, hier ist der Zweite Weltkrieg, anders als zum Beispiel in Frankreich, viel wichtiger. Ich glaube, dass daher der Bezug zum Film nicht so stark ist. Außerdem weicht der Film schon deutlich vom Romaninhalt ab. Nichts destotrotz sehe ich die starken Entlastungsnarrative für den Großteil der Gesellschaft als hochproblematisch an, gerade weil es dabei um die Abwehr von Verantwortung des Einzelnen geht.    


Ein Beitrag aus der Reihe „(Un)hyped“ der Bildungsstätte Anne Frank. 

Im Mai 2023 starteten wir unsere neue Reihe „(Un)hyped“. Dabei wollen wir in regelmäßigen Abständen Filme, Serien, Bücher, Games, Genres und andere popkulturell relevante Formate kritisch unter die Lupe nehmen und in Hinblick auf unsere Kernthemen Antisemitismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit untersuchen. Welcher Film ist gut gealtert – welcher schlecht? Und welche Serie ist so problematisch, dass sie vielleicht einfach gecancelt werden sollte? Unterschiedliche Kolleg*innen der Bildungsstätte teilen ihre Perspektiven.