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In Israel wurde dieser Jahrestag nach dem jüdischen Kalender bereits am 26. April gefeiert, nach dem gregorianischen Kalender fällt das Jubiläum der Staatsgründung auf den 14. Mai. 

Trotz Kriegen mit den arabischen Nachbarstaaten und insbesondere dem israelisch-palästinensischen Konflikt ist das Land seit seiner Gründung Zufluchtsort für Jüdinnen_Juden weltweit. Unser Direktor Meron Mendel, der in Israel geboren und aufgewachsen ist, beobachtet den aktuellen Rechtsruck in der israelischen Politik mit Sorge und teilt seine Gedanken zum heutigen Jubiläum mit uns.

Meron, Israel feiert heute sein 75-jähriges Bestehen – was bedeutet dieses Datum für dich?

Runde Jahreszahlen dienen ja bekanntermaßen dazu, Bilanz zu ziehen. Als ich mir die Feierlichkeiten in Israel im vergangenen Monat angeschaut habe, war ich zwiegespalten. Einerseits bin ich schon länger von den politischen Entwicklungen – vor allem seit dem Ende des Friedensprozesses – sehr besorgt.  Dass nach der letzten Wahl eine ultranationalistische und religiös-fundamentalistische Regierung an die Macht gekommen ist, zeigt wie tief Israel in der Krise steckt. Auf der anderen Seite sehen wir seit Wochen, dass die Zivilgesellschaft in Israel sehr stark und gut organisiert ist. Vielleicht schaffen es die liberalen und friedensorientierten Kräfte im Land noch, die Politik in eine andere Richtung zu lenken. Das ist jedenfalls meine Hoffnung.

Wo siehst du die größten Probleme bei den aktuellen Entwicklungen in Israel? 

Israel hat momentan eine demokratisch gewählte Regierung, die versucht, die Demokratie auszuhöhlen. Damit geht die größte Gefahr für die Sicherheit Israels aktuell von Innen aus: Die ultranationalistische und religiös-fundamentalistische Regierung unter Netanjahu plant einen Umbau der Justiz, der die Gewaltenteilung massiv schwächen und die Macht der Regierung stärken würde. Das könnte sich unter anderem negativ auf Minderheiten, Bildung und Medienlandschaft auswirken. Seit Monaten protestiert die israelische Zivilgesellschaft gegen diese drohende Gefahr, von außen gibt es aber noch zu wenig Druck auf die israelische Regierung.  Gerade in Deutschland verweisen Politiker oft auf die gemeinsame Werte als Grundlage der engen Beziehungen zwischen den Ländern. Hier steht an erster Stelle die Demokratie.

Wenn du an die nächsten 75 Jahre denkst: Wie kann es weitergehen mit dem israelischen Staat? Was ist deine Sorge und was sind deine Hoffnungen für die Zukunft? 

Israel ist ein unglaublich dynamisches Land. Das bedeutet, dass positive oder negative Entwicklungen schnell zur Geltung kommen. Deshalb traue ich mir keine Vorhersage zu. Das Land steht an einem Scheideweg: Im besten Fall gewinnt das liberal-progressive Lager, es wird eine Verfassung verabschiedet und der Friedensprozess wird wieder gestartet. Denn Israel hat bisher keine geschriebene Verfassung, als Ersatz gelten nur unvollständige und leichtveränderbare Grundgesetze. Es ist aber nicht auszuschließen, dass die Abwärtsspirale ihren Gang fortsetzt. Dieses Szenario will ich mir gar nicht ausmalen.