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23. März 2022


Vielfach werden Vergleiche mit Hitler gezogen, auch von Politiker*innen und Journalist*innen. Sind solche Vergleiche angebracht – oder sind sie Geschichtsrevisionismus?  

Putin-Hitler-Vergleiche gibt es nicht erst seit 2022; sie reichen zurück bis 2014, zur Annexion der Krim. Prominent stellte Hillary Clinton eine Verbindung zwischen den beiden her: „Wenn es vertraut klingt, das ist, was Hitler in den 30er-Jahren getan hat.“ Clinton bezog sich auf die “Sudetenkrise” von 1938, die mit der Einverleibung der von Sudetendeutschen besiedelten Gebiete in Osteuropa durch Deutschland endete.

Seit dem Angriff Putins auf die Ukraine sind diese Vergleiche allgegenwärtig: in den klassischen Medien, in Talk-Runden, als Plakate auf Demos und als Memes auf Social Media. Auch der ukrainische UN-Botschafter Sergiy Kyslytsya griff auf einen Vergleich zurück, als er in seiner Rede vor dem UN-Sicherheitsrat betonte, dass Putin keine Atomwaffen bräuchte, falls er sich umbringen wolle; er könnte es im Bunker machen, wie “der andere Typ” (sprich Hitler) es 1945 gemacht habe.

Vergleiche sind ein beliebtes Mittel, um die Tragweite von aktuellen Ereignissen einzuordnen. Insbesondere der Nationalsozialismus wird dabei immer schnell als Messlatte für andere Verbrechen herangezogen. Die aktuellen Vergleiche greifen auf viele Parallelen zurück: Annexionspolitik, Einmarsch in souveräne Staaten, Großmachtsphantasien und Genozidbehauptungen als Kriegslegitimation. Am Ende bleiben solche Vergleiche aber zwangsläufig oberflächlich - und darin liegt auch die Gefahr von Putin-Hitler-Vergleichen. 

Was diese nämlich ignorieren, ist die systematische Vernichtung von Millionen Juden, Sinti und Roma und anderen marginalisierten Gruppen während des NS-Regimes. Die Ukrainer*innen sind in Putins Augen keine “rassischen Untermenschen” oder Fremde, die ausgelöscht werden müssen, damit “Großrussland” gedeihen kann; stattdessen sollen sie einverleibt werden, weil sie für ihn Russen sind. Diese Besonderheit darf nicht einfach verwischt werden, was aber die Konsequenz von einfachen Vergleichen ist.  

Sind Putin-Hitler-Vergleiche ein Fall von Geschichtsrevisionismus? Geschichtsrevisionismus ist ein wichtiger Bestandteil von rechtsradikalen und rechtspopulistischen Ideologien. Das Ziel: die Geschichtsschreibung umdeuten und die Verbrechen des NS-Regimes relativieren. Fakten werden geleugnet, Zahlen in Frage gestellt oder andere Menschheitsverbrechen als Vergleich herangezogen.  Durch das Herunterspielen und Leugnen wird die NS-Zeit als nicht so schlimm dargestellt, was die eigene Ideologie wieder aufwertet. 

Diejenigen, die aktuell zu solchen Vergleichen greifen, wollen natürlich nicht den Nationalsozialismus relativieren, sondern die historische Tragweite der aktuellen Situation unterstreichen. Am Ende des Tages bleibt das Problem aber bestehen: Hitler-Vergleiche relativieren das Leid von 6 Million ermordeten Juden - und sollten daher nicht in der Berichterstattung herangezogen werden. 

Quellen:
BR, 22.03.2022, Putins Kriegsgründe: Was es damit auf sich hat 
Berliner Zeitung, 22.03.2022, Warum es falsch ist, Putin als neuen Hitler zu bezeichnen 
Deutschlandfunk, 22.03.2022, Historisch unsensible Reflexe Warum Nazi-Vergleiche rhetorische Rohrkrepierer sind  
Bundeszentrale für politische Bildung, 22.03.2022, Revisionismus

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